Mental Load bei Müttern: Der praktische Guide für mehr Entlastung im Familienalltag

Mental Load bei Müttern: Der praktische Guide für mehr Entlastung im Familienalltag

Kennst du das? Du liegst abends erschöpft im Bett und dein Kopf arbeitet trotzdem noch auf Hochtouren: „Hat mein Kind morgen sein Sportzeug dabei? Muss ich noch Windeln bestellen? Wann war eigentlich der letzte Zahnarzttermin?“ Während dein Partner längst friedlich schlummert, planst du gedanklich schon den nächsten Tag. Willkommen in der Welt des Mental Load – dieser unsichtbaren Last, die besonders uns Mütter oft erdrückt.

Was genau ist Mental Load? Eine alltägliche Geschichte

Stell dir vor: Das Telefon klingelt. Die Kita informiert, dass dein Kind Fieber hat. In Sekundenschnelle rattert dein Kopf durch: Wer kann heute früher von der Arbeit weg? Haben wir noch Fiebersaft? Muss der wichtige Meeting-Termin verschoben werden? Wer könnte morgen einspringen, falls das Fieber nicht sinkt?

All diese gedankliche Organisationsarbeit – das ist Mental Load. Die französische Zeichnerin Emma hat dieses Phänomen in ihrem vielbeachteten Comic perfekt auf den Punkt gebracht: Wir Frauen tragen nicht nur die Verantwortung für die praktische Hausarbeit und Kindererziehung, sondern auch die gesamte gedankliche Planungsarbeit dahinter.

Wenn dir dein Alltag mit Kindern permanent zu viel wird und du dich erschöpft fühlst, dann bist du nicht allein. Ein Großteil dieser Erschöpfung stammt oft aus einer unsichtbaren Last – dem Mental Load. Dieses Phänomen beschreibt die ständige gedankliche Verantwortung für alles Organisatorische im Familienalltag.

Warum ist Mental Load so belastend?

Vielleicht erkennst du dich in einem oder mehreren dieser Punkte wieder:

1. Die nie endende To-Do-Liste

Gerade hast du die Winterkleidung für die Kinder sortiert, da stehen schon die nächsten Impftermine an. Kaum ist der Kindergeburtstag organisiert, müssen die Weihnachtsgeschenke geplant werden. Es hört einfach. nie. auf.

2. Die Unsichtbarkeit der Arbeit

„Was hast du denn den ganzen Tag gemacht?“ Diese Frage kennst du bestimmt. Die mentale Belastung durch ständiges Planen, Organisieren und Vorausdenken sieht man eben nicht – dabei raubt sie uns unglaublich viel Energie. Viele Partner verstehen gar nicht, worüber man sich beklagt, wovon man abends so erschöpft ist (abgesehen davon, dass es ein Vollzeitjob ist, sich um die Bedürfnisse eines oder gar mehrerer Kinder zu kümmern). Auch dir selbst kommt es vermutlich häufig am Abend so vor, als hättest du gefühlt wieder nichts geschafft, obwohl du den ganzen Tag nur gerannt bist.

3. Die permanente Alarmbereitschaft

Selbst beim entspannten Kaffeeklatsch mit Freundinnen tickt im Hinterkopf die Mental Load-Uhr: „In einer Stunde muss ich los zur Kinderärztin… vorher noch schnell Kinderzahnpasta kaufen… und war da nicht noch was mit der Kita-Anmeldung?“ Zusätzlich zu den ganzen alltäglichen Aufgaben, die sowieso anstehen, gibt es auch regelmäßig wiederkehrende Aufgaben, und sei es nur das Blumen gießen, neue Müllbeutel besorgen, wenn die alten leer sind, die Klopapier Rollen nachfüllen. Alles Kleinigkeiten, oder? Nicht der Rede wert? In der Summe ergibt sich hier aber doch ein gewaltiger Berg an Dingen, die dich einfach mental belasten, wenn du daran denken und dich darum (alleine) kümmern musst.


Mir ist bei einer Übung – dem bewussten Beobachten meiner Gedanken – aufgefallen, dass wirklich ständig Gedanken aufkommen wie „Ohhh, daran muss ich noch unbedingt denken“ oder „Das muss ich gleich noch unbedingt erledigen“. Eigentlich könnte ich beim Spielen mit meinen Kindern jede Minute das Handy in die Hand nehmen, um mir schnell noch was zu notieren, bevor ich es wieder vergesse. Und auf dem Weg in die Küche, um meiner Tochter etwas zu trinken zu holen, fallen mir die dreckigen Socken auf dem Flurboden auf, die Teller, die sich auf der Spülmaschine stapeln, und der Zettel am Kühlschrank mit dem Müllabfuhrtermin morgen – irgendjemand musste zumindest meinen Mann daran erinnern, die Mülltonnen an die Straßen zu schieben. Wege finden, um uns von dieser unsichtbaren Last zu befreien und ein erfülltes und ausgewogenes Familienleben zu führen.

Auswirkungen des Mental Load:

  1. Stress und Überlastung: Die ständige Verantwortung für die Organisation des Familienlebens kann zu chronischem Stress und Überlastung führen.
  2. Beziehungsprobleme: Wenn einer Partner einen Großteil des Mental Loads trägt, kann dies zu Spannungen und Konflikten in der Partnerschaft führen.
  3. Mentale Erschöpfung: Die fortwährende Belastung durch den Mental Load kann zu mentaler Erschöpfung führen und das Wohlbefinden beeinträchtigen.
  4. Fehlende Selbstfürsorge bis zur Selbstaufgabe: Mütter, die stark belastet sind, vernachlässigen oft ihre eigenen Bedürfnisse und nehmen sich nicht genügend Zeit für Selbstfürsorge.

Wege aus der Mental Load-Falle:

1. Bewusstmachen & Dokumentieren

In einem ersten Schritt: Bewusstmachen. Dir selbst, und natürlich auch deinem Partner. Schreibe dir z.B. eine Woche lang auf, was du alles tust, organisierst, an was du denken musst, was noch ansteht. Einfach so untereinander auf einen Zettel, dann hast du es mal schwarz auf weiß vor dir.

2. Aufgaben gerechter verteilen

In einem zweiten Schritt: Aufgabenverteilung zusammen anschauen. Was ist wirklich wirklich wirklich notwendig. Was musst du unbedingt selbst machen. Was kann dein Partner machen. Was kann ggf. eine externe Hilfe übernehmen. Dazu gehört auch: Delegieren und Priorisieren: Lerne, Aufgaben zu delegieren und Prioritäten zu setzen. Nicht alles muss perfekt sein, und es ist in Ordnung, Hilfe von anderen anzunehmen, sei es vom Partner, Familienmitgliedern oder sogar professionellen Dienstleistern.

Fragenkatalog für Paare:

  • Was ist wirklich notwendig?
  • Welche Aufgaben können delegiert werden?
  • Welche Dinge können automatisiert werden?
  • Welche To-Dos sind „nice to have“, aber nicht essenziell?

3. Akzeptieren, dass „gut genug“ reicht

In einem dritten Schritt: Loslassen (üben). Versuche, die Aufgaben, die du abgegeben hast, auch wirklich abzugeben. Auch wenn sie nicht so erledigt werden, wie du es gern hättest.

4. Effektive Organisationssysteme nutzen

Führt einen digitalen Familienkalender ein, auf den alle Zugriff haben Nutzt Apps wie Bring! für gemeinsame Einkaufslisten Richtet eine Familien-Kommandozentrale ein: Ein Whiteboard oder Bulletin Board für wichtige Termine und Notizen. Das hilft dabei, den Mental Load sichtbar zu machen und gemeinsam zu organisieren. Automatisiere wiederholende Aufgaben so weit es möglich ist, um Zeit und Energie zu sparen.

5. Selbstfürsorge priorisieren:

Nimm dir bewusst Zeit für Selbstfürsorge und Selbstpflege – ohne schlechtes Gewissen. Setze Grenzen und mach regelmäßige (wirkliche! Handyfreie!) Pausen, um sich zu entspannen und aufzutanken.

6. Partnerschaft stärken:

Arbeitet an euch als Team. Kommuniziere offen, unterstützt euch gegenseitig und teilt die Verantwortung für Hausarbeit und Kindererziehung. Das geht vielleicht nicht von heute auf morgen, aber es muss Priorität haben. Viele Männer verstehen Mental Load erst, wenn sie ihn selbst erleben. Sprich darüber, teile Artikel und Videos dazu. Nur wenn das Bewusstsein da ist, kann sich etwas ändern.

7. Unterstützung suchen:

Ob Haushaltshilfe, Babysitter oder Essenslieferdienste – nutze Hilfen, um dich zu entlasten. Zögere außerdem auch nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, sei es durch eine Therapie, Coaching oder Unterstützung von Freunden und Familienmitgliedern.


Mental Load Test

Die Initiative Equal Care Day hat einen Mental Load Test herausgebracht, den du zusammen mit deinem Partner durchführen kannst: Zum Test als PDF.

Mental Load Aufgabenliste für gerechtere Verteilung

Es gibt eine großartige Excel-Liste, eine „Steuerboard-Liste“ gegen Mental Load. Wenn du dich bei Laura Fröhlich hier in den Newsletter einträgst, bekommst du diese umfassende Liste per Mail zugeschickt – es ist dort schon alles Mögliche voreingetragen an Augaben, die im Alltag so anfallen, wie viel Zeit sie in der Regel in Anspruch nehmen, wie häufig sie ausgeführt werden müssen. Du kannst die Aufgaben dann schön verteilen und Verantwortliche eintragen. Und vor allem: Den Mental Load erst einmal sichtbar machen!

Kleiner Auszug aus der großartigen Steuerboard-Liste:

Fazit:

Der Mental Load ist eine unsichtbare Last, die viele von uns belastet und unseren Alltag beeinflusst. Es ist wichtig, sich dieser Belastung bewusst zu werden und Schritte zu unternehmen, um sie zu reduzieren und ein ausgewogeneres Leben zu führen. Durch bewusste Kommunikation, Delegierung, Selbstfürsorge und Unterstützung können wir aus dem belastenden Kreislauf ausbrechen und mehr Freude und Leichtigkeit in unserem Familienleben finden.

Wie sieht es bei dir und deinem Partner aus? Wie regelt ihr die Aufgabenverteilung? Hast du noch weitere Tipps , die dir geholfen haben, nicht mehr an alles denken zu müssen? Schreib mir deine Erfahrungen gern in die Kommentare!

Mental Load Buchtipps & Weitere Links

Im Interview mit Patricia Cammarata erfährst du noch mehr über Mental Load.

Mental Load – Interview mit Patricia Cammarata

Mental Load – Interview mit Patricia Cammarata

Die Expertin Patricia Cammarata, Autorin von dem sehr empfehlenswerten Buch „Raus aus der Mental Load Falle„, hat mir ein paar Fragen zum Thema Mental Load beantwortet:

Was ist daran so erschöpfend wenn man an alles denken muss? Kann man nicht einfach die Todos aufschreiben und „gut ist“?

Patricia Cammarata: „Erschöpfend ist, dass die ToDo-Liste permanent im Kopf rattert. Auch abends auf dem Sofa und im Bett wenn man versucht einzuschlafen. Man ist ständig „on“ und scannt seine Umgebung, um sicherzugehen, dass man alle ToDos erfasst und in den laufenden Plan einbaut.
Mental Load ist viel mehr als fertige ToDos zusammenzustellen. Es geht darum zukünftige Entwicklungen vorherzusehen, Möglichkeiten zu identifizieren darauf zu reagieren. Zu entscheiden, was die richtige Lösung ist und dann den Fortschritt zu überwachen und ggf. nachzusteuern.“

Warum ist es für viele Müttern schwer, Aufgaben/Bereiche komplett abzugeben?

Patricia Cammarata: „Ich glaube nicht, dass es Müttern generell schwer fällt Aufgaben abzugeben. V.a. dann nicht wenn man sich Sorgearbeit ab der Geburt gemeinsam aufteilt. Schwer wird es eher wenn man sehr lange alles alleine gemacht hat und dann gewisse Erfahrungen schon gemacht hat. Zum Beispiel dass bestimmte Windelmarken nachts auslaufen, dass man dann ein weinendes Kind aus dem Bettchen holen muss, komplett umziehen muss etc.
Da fällt es dann schwer sich locker zu machen und zu sagen: „Soll mein Partner doch erstmal selbst in Ruhe rausfinden, was hier die beste Lösung ist…“
Zumal oft nur Teile von Aufgaben angenommen werden und der Partner eben nicht derjenige ist, der nachts aufsteht und alles wieder in Ordnung bringt.
Wenn man sich als Paar also eine zeitlang in Erwerbs- und Sorgeperson aufgeteilt hat und die Anteile ändern will, dann ist es gut darüber zu sprechen wie Dinge im Idealfall umgesetzt werden und dass dann eben der ganze Prozess an den Partner geht (von der Planung, der Umsetzung und den Nacharbeiten) und nicht nur die vorgearbeiteten Teile – also das kleine ToDo.
Dass es da dann auch eigene Lösungen gibt, ist klar. Und dass man sich da dann auch umgewöhnen muss auch. Aber es müssen sich beide Parteien Zeit geben. Die eine zum Lernen und die andere zum eigene Lösungen aushalten.“

Haben auch Paare ohne Kinder ein „Mental Load Problem“?

Patricia Cammarata: „Ja, viele haben das. Es gibt sehr viele Aufgaben, die Frauen auch ohne Kinder identifizieren und dann auch deren Umsetzung übernehmen. Typische Beispiele sind Bettwäsche wechseln, Blumen gießen, Handseife nachfüllen aber auch an den Geburtstag der Schwiegermutter denken, ein Geschenk besorgen, sich erinnern was es letztes Jahr gab etc.“

 

Was sollte man am besten schon in der Schwangerschaft vorbereiten, um der Mental Load Falle vorzubeugen?

Patricia Cammarata: „Reden, reden, reden lautet die einfache Zauberformel. Wichtig ist, konkret die Phasen und die Verantwortlichkeiten zu besprechen. Wie soll der Mutterschutz aussehen, wie die Aufteilung der Elternzeit, wie der Wiedereinstieg in den Job?
Am besten man macht sich gleich einen wöchentlichen, festen Gesprächstermin aus. Oft kommt ja doch alles anders als gedacht und man hat evtl. manche Themen falsch eingeschätzt (z.B. wie erschöpft man durch ständiges nächtliches Aufstehen ist oder wie viel Zusatzaufgaben im Kindergarten dazu kommen ).“

Was tun, wenn der Partner nicht mitzieht und z.B. Dinge trotz Absprache immer wieder vergisst, die Aufteilung blöd findet oder keine Zeit hat (man aber nicht gleich an eine Trennung denken möchte)?

Patricia Cammarata: „Auch hier: Miteinander reden. Das ist oft schwer, weil man nicht die Sachebene „Er hat die Brezeln fürs Sommerfest vergessen“ diskutiert, sondern Verletzungen auf der Beziehungsebene „Er lässt mich im Stich, sieht nicht, dass ich ohnehin schon fast keine Kraft mehr habe.“
Und wenn das nicht hilft auch mal bewusst an die Wand fahren lassen. Natürlich nicht bei wichtigen Themen, aber im konkreten Brezel-Beispiel: Dann muss der Partner eben für Last-minute-Ersatz sorgen und nicht man selbst rennt mit Kleinkind am Arm nochmal zum Bäcker.
Tatsächlich hilft es, dass man wirklich explizit Aufgabenverteilungen _gemeinsam_ bespricht. Was kann der Partner bis wann leisten. Nicht einfach Aufgaben zuteilen und keine Wahl lassen. 
Durch das Gespräch lassen sich dann gut Kompromisse finden.
Wir haben es z.B. oft so, dass ich viel schneller unruhig werde weil bestimmte Sachen nicht geplant sind. Zum Beispiel plane ich gerne den Urlaub direkt nach dem Urlaub und mein Partner bekommt da Schweißausbrüche. Umgekehrt bekomme ich Schweißausbrüche wenn wir erst im Februar anfangen den Sommerurlaub zu planen. Über sowas muss man sprechen. Wir haben uns dann auf Oktober geeinigt. Bis dahin sammeln wir alle Vorschläge und bis Ende Oktober wird gebucht.
So lassen sich eigentlich Lösungen für alles finden.“
Herzlichen Dank an Patricia für das Interview!

Weitere Infos zu Patricia:

     

      1. Website von Patricia Cammarata

      1. Instagram Account von Patricia Cammarata

    Mehr Infos zum Thema Mental Load findest du in einem weiterführenden Blogartikel